Die Frauenstadtrundgänge in Biel werden seit 2002 von einem sich erneuernden Team geführt.

Der eine Rundgang führt durch die Altstadt unter dem Titel „Der andere Blick – Le regard différent“. Dabei geht es durch die bekannten Gassen, aber eben mit einem für Frauengeschichte geschärften Blick. Für die Teilnehmer*innen wird auf diesem Weg deutlich, dass sich Bielerinnen für die Stadt eingesetzt haben, dass sie Berufe ausübten, die man ihnen nicht zugetraut hätte, aber auch Reden hielten, Bücher schrieben, Bilder malten und viel arbeiteten. Sie organisierten sich, wenn es sein musste, quer durch alle Parteien hindurch, so etwa im sogenannten Milchkrieg.

Der zweite Rundgang heisst „Weltsichten. Wenn Frauen reisen“ und beim Erarbeiten dieses neuen Rundganges haben wir Anna Rüfli entdeckt.

Einmal im Jahr macht sich das Team der Bieler Führerinnen auf, um zu schauen, wie andere ihre Rundgänge leiten, wie sie ihre Gäste durch eine Ausstellung oder durch ihre Stadt führen. Dieses Jahr haben wir uns also aufgemacht, um das Albert Anker-Haus in Ins zu besuchen, in der Hoffnung, dort auch etwas über seine Frau – Anna Rüfli – zu erfahren.

Von links: Katharina Stöckli, Ina Murbach (sitzend), Sylvia Despont, Luzia Sutter Rehmann, Silva von Beust

Frau Rüfli war Metzgertochter in Lengnau, eine der ersten im Kanton ausgebildeten Lehrerinnen. Als solche kam sie nach Dänemark und Russland, wo sie adelige junge Leute in Französisch unterrichtete. Die weitgereiste Frau heiratete Albert Anker und lebte fortan in Ins, als Mutter von sechs Kindern. Im Atelier scheint die Zeit ihren Atem anzuhalten, vieles ist noch so wie zu Lebzeiten des Künstlers. Daraus ergibt sich eine spannende Führung, die Details (wie stellte der Künstler seine Pinsel her? wie gelang es ihm, die Kinder ruhig zu halten, damit er sie malen konnte?) ergeben ein aufschlussreiches Bild der Zeit und des Mannes, der so respektvolle Porträts malen konnte. Und dann hängt da eine Tracht mitten im Atelier, die wir erst für eine lokale Tracht hielten. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass dies eine St. Petersburger-Tracht ist, die Anna Rüfli als Geschenk erhalten hatte, ebenso wie einen silbernen Samowar. Diese Dingen erzählen auf ihre Weise von der weitgereisten Frau, von ihren Beziehungen und dem, was sie auch kulturell nach Ins gebracht hatte.

Wir fanden den Besuch im Atelier Ankers sehr interessant. Auf der Rückreise kamen wir ins Grübeln. Warum erfuhren wir so wenig über ihr Leben und ihre Arbeit? Es würde den Künstler nicht kleiner machen, wenn sie mehr Raum einnähme, im Gegenteil. Aber auch in Biel könnten wir ihr Raum geben, z.B. indem wir aus dem Albert Anker-Weg einen „Albert und Anna Anker-Rüfli-Weg“ machen. Damit würde die Geschichte etwas vollständiger, die kluge Frau hätte es verdient, erinnert zu werden.

Frauenstadtrundgänge in Biel, die nächsten Daten 2020:

Jeweils Samstag, 11 Uhr

  • 15. August: Vies de femmes (f), Treffpunkt: Robert Walser-Platz vor dem Medienhaus
  • 22. August: Le regard différent (f), Treffpunkt: im Ring, Altstadt
  • 5. September: Weltsichten (d), Treffpunkt: Robert Walser-Platz vor dem Medienhaus
  • 26. September: Der andere Blick (d), Treffpunkt: im Ring, Altstadt

Dauer: ca. 1.5 h

Kosten: pro Person CHF 20.-
Info/Anmeldung unter: www.frauenplatz-biel.ch, rundgang@frauenplatz-biel.ch