‘Die Pest zu London’ ist ein Buch von Daniel Defoe, das 1722 in Form eines fiktiven Berichts/Tagebuchs erschien. Es handelt von Ereignissen während der Großen Pest von London im Jahr 1665 und zählt zu den großen Pest- bzw. Seuchen-Erzählungen der Weltliteratur. Daniel Defoe erlebte die Pestzeit als 5-jähriger Junge, vermutlich diente ihm die Aufzeichnung seines Onkels, der die Pest hautnah miterlebt hat, als Grundlage.
Autor
Daniel Defoe: Geburtsjahr und Geburtsort sind nicht sicher überliefert. Verschiedene Quellen nennen die Jahre 1659 bis 1662 als wahrscheinlich.
Schon in jungen Jahren hatte er sich in zahlreichen Beiträgen den religiösen, ökonomischen und politischen Problemstellungen seiner Zeit gewidmet. Aber erst mit seinem 1701 veröffentlichten satirischen Gedicht The True-Born Englishman (Der waschechte Engländer), in dem er für Toleranz gegenüber nationalen und religiösen Minderheiten eintrat, kam der große Erfolg.
Er etablierte sich im Laufe dieser Jahre als versierter wirtschaftspolitischer Journalist.
Im Alter von beinahe 60 Jahren veröffentlichte Defoe seinen ersten Roman The Life and Strange Surprizing Adventures of Robinson Crusoe (Das Leben und die seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe), der schlagartig zu seinem bekanntesten Werk wurde. Neuartig an diesem Roman waren die mit Faktenwissen durchsetzte Darstellung und der journalistische Stil.
Defoes Werk umfasst Abenteuerromane, Essays und journalistisch geprägte Werke wie eben A Journal Of The Plague Year (Die Pest zu London, 1722).
Daniel Defoe versuchte während seines ganzen Lebens, die politische und religiöse Freiheit in England zu stärken. Der Wert seiner publizistischen Schriften wird soeben erst erkannt. Einschließlich seiner Flugblätter gibt es circa 250 Werke Defoes.
Leseerlebnis
Die Parallelen zwischen damals und heute sind erhellend – gewisse Dinge spielen sich auch heute in Zeiten von Corona sehr ähnlich ab. Jede Woche wurden zum Beispiel Fallzahlen veröffentlicht. Oder verordnete Massnahmen wurden hintertrieben. Oder Fake-News wurden verbreitet: ‘Man erzählte sich damals viele schreckliche Geschichten von Pflegerinnen und Wachleuten, die nach den Sterbenden sahen; ich meine damit angestellte Pflegerinnen [nurses], welche die Angesteckten zu versorgen hatten; nämlich, dass sie diese rücksichtslos behandelten, sie verhungern oder ersticken ließen oder auf andere Weise ihr Ende beschleunigten, mit andern Worten, sie umbrachten’. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass die Geschichte immer etwa gleich erzählt wird, immer an unterschiedlichen Orten spielt und sie niemand ganz direkt erlebt hat.
Nach Meinung von Daniel Defoe handelte es sich bei all dem mehr um Märchen als um Tatsachen. Es war, mit anderen Worten, eine der ersten urban legends, die man als Früh- und Keimform der fake news bezeichnen könnte.
Und das Strassenbild – das kommt uns doch bekannt vor, oder nicht? ‘Die Straßen, die gewöhnlich so belebt waren, lagen wie ausgestorben da. Selbst auf großen Straßen mitten in der City, ja sogar vor der Börse, wuchs Gras zwischen den Pflastersteinen. Theater waren geschlossen, ebenso Spielbanken, öffentliche Tanzhallen und Vergnügungsstätten. Und schließlich wurden viele Wohnhäuser durch die Behörde geschlossen, sobald diese erfuhr, dass sich darin ein von der Pest Befallener befand. Dass die Häuser fortan weder betreten noch verlassen wurden, dafür sorgten Wachleute rund um die Uhr.’
Und noch etwas ist sich gleichgeblieben: Menschen in prekären Verhältnissen leiden/litten am meisten: damals waren Dienstmädchen, Mägde, Hausdiener usw. am gefährdetsten, weil sie für die Herrschaften das Haus verlassen mussten, um einzukaufen. Die Ärmsten und die durch die um sich greifende grosse Arbeitslosigkeit verarmten Arbeiter, Bedienstete und Handwerker waren immer auf der Strasse gewesen, da sie sich keine Vorräte anlegen konnten. Und aus Hunger nahmen sie jede, auch die gefährlichste, Arbeit an.
Irgendwie kommt uns das doch auch bekannt vor.
Ich empfehle das Buch allen, die sozialgeschichtlich und literarisch interessiert sind.
Susie Saam
Books on demand, 978-3-7504-6040-9, gibt es auch als Hörbuch oder E-Book