Teillnehmer:innen des Evangelischen Theologiekurses Biel (ETK) besuchten das Haus der Religionen am Europaplatz in Bern

Ankunft am Europaplatz. Ein lärmiger Verkehrsknotenpunkt! Autos, Trams, lärmige Motorräder. Grosse Betonbrücke, modernes Gebäude hinter einer langen dunklen Glasfront. Ein Supermarkt – und gleich daneben, hinter der Glasfront – das Haus der Religionen! Ich frage mich, kann dies ein Ort der Ruhe, der Einkehr, sein? Ich bin skeptisch, aber offen, was wir hier erfahren, erleben dürfen.

Grosse, helle Empfangsräumlichkeiten mit Restaurant erwarten uns. Eine Treppe führt zu weiteren Räumen. Eine freundliche Frau heisst uns willkommen, sie wird uns den heutigen Vormittag über begleiten.

Wir erhalten Einblick in die Entstehung dieses Hauses. Es dauerte einige Jahre bis eine Trägerschaft für ein weltliches Zentrum verschiedener Kulturen und Religionen verwirklicht werden konnte. Ein Standort im Westen von Bern erwies sich als geeignet. 2006 Gründung einer Stiftung zwecks Trägerschaft und Finanzierung, 2012 Baubeginn, 2014 Einweihung.

Im Haus begegnen sich acht verschiedene Religionen und Kulturen: Alevit:innen, Bahá’í, Buddhist:innen, Christ:innen, Hindus, Jüdinnen und Juden, Muslim:innen und Siks. Das Haus hat fünf Sakralräume und verschiedene Räume der Begegnung.

Wir dürfen einige der Räumlichkeiten besuchen.

Der erste Raum

Der helle, hohe Raum mit weissen Wänden, schmalen Nischen und einer einzigartig gestalteten Decke wird von verschiedenen Kirchengemeinschaften benutzt. Nur eine Wand ist bunt bemalt mit Ikonenbildern. An einer weiteren Wand hat es hoch oben hölzerne Orgelpfeifen. Doch wo ist das Manual, um die Orgelpfeifen anzuspielen? Keine weiteren Musikinstrumente sind zu sehen. Wird hier auch gesungen? Was findet hier statt? Unsere Führerin gibt Antworten auf all unsere Fragen.

Im Raum der Buddhistischen Gemeinschaft

Wir erfahren, was die buddhistische Lehre uns Menschen bringt. Diese, lehrt uns Buddha, begleitet unser Leben im Hier und Jetzt. Er ist immer mit uns.

In der Moschee

Hier heisst es zuerst: Schuhe ausziehen. Wunderbarer Teppich, grosser Leuchter im hohen, hellen Raum mit Kuppel, Wände mit arabischen Schriftzügen und eine eindrückliche Stille.
Der Imam der Moschee, Mustafa Mehmeti, beeindruckt mich, wie er auf unsere Fragen eingeht. Er erklärt die Ausbildung zu seiner Funktion. Der Imam hat eine theologische Ausbildung, aber auch ein Laienprediger kann als Imam für seine Mitmenschen wirken. Frauen und Männer verfolgen den Gottesdienst gemeinsam, aber räumlich abgegrenzt voneinander.

 

Der Tempel der Hindus

Es stellt sich die Frage, dürfen wir diesen Tempel betreten, ist doch an diesem Vormittag eine Hochzeitsfeier im Gange? Doch siehe, wir werden von einem freundlichen Herrn in weisser Kleidung sogar explizit dazu eingeladen. Wir dürfen zuschauen und uns vom Geschehen beeindrucken lassen. Schön gekleidete Menschen. Eine vielfarbige Welt, fremde Töne, Geräusche. Für mich sehr verwirrend.

 

Dann gibt es ein gemeinsames Mittagsessen im Restaurant Vanakam in der grossen Eingangshalle. Wir werden von philippinischen und indonesischen Frauen bedient.

Ein interessantes Detail: Hier werden vegane ayurvedische und auch koschere Speisen zubereitet. Ein Mitglieder der jüdischen Gemeinde eröffnet die Küche jeden Tag, damit die Küche auch wirklich als koscher gelten kann. Es wird separates Kochgeschirr und Besteck gemäss den halachischen Regeln verwendet. Der Koch ist der Hindu-Priester im Tempel. Er hat eine ayurvedische Kochausbildung und eine koschere. So geschieht Ökumene! Uns wird ein veganes, ayurvedisches 3-Gang Menü serviert.

 

Im Andachtsraum der christlichen Kirchen besuchen wir nach dem Essen einen äthiopisch-orthodoxen Workshop. Eine Äthiopierin, begleitet von ihrer jungen Tochter, erklärt uns, was die bunten Wandmalereien bedeuten: Ikonenbilder als Verbindung zu Gott.
Die äthiopische Kirche gilt als älteste christliche Kirche überhaupt. An drei verschiedenen „Posten“ sehen wir Kleider, verschiedene Gegenstände, eine Trommel und versuchen die dazu gestellten Fragen zu beantworten.
Dann rhythmischer Gesang von Mutter und Tochter zu Trommelbegleitung. Klänge, welche einen bei längerem Zuhören in spirituelle Sphären führen können.

Der heutige Besuch war für mich eine sehr schöne Ergänzung zum ETK-Kursthema «Weltreligionen».

Urs Lohri