Nein, nach Ruhestand hört sich das definitiv nicht an, in was sich die Theologin und Studienleiterin Luzia Sutter Rehmann verabschiedet. Eher nach einem Wechsel von der Angestellten der Kirche hin zur Freiberuflichkeit. Denn: «Es gibt noch viel zu tun», findet die habilitierte und promovierte Bibelforscherin, die nun in Frühpension geht.

Während fünfzehn Jahren arbeitete Luzia Sutter Rehmann (bald 63) für den Arbeitskreis für Zeitfragen der evangelisch-reformierten Kirche Biel. Und es wird an diesem Abend, der unter dem Motto «Abschied und Aufbruch« steht, deutlich, dass es diese besondere Stelle war, die Luzia Sutter Rehmann mit ihrer hohen Selbstverpflichtung zu Gerechtigkeitsthemen, ihrer ausgesprochenen Fähigkeit Theologisches mit Gesellschaftlichem und Politischem zu verbinden, mit ihrer Kreativität und ihrem Experimentiersinn wie auf den Leib geschneidert war und sie fast täglich die «schönste Bahnstrecke der Schweiz» von Basel durch den zerklüfteten Jura nach Biel hat fahren lassen.

Hier konnte sie Themen, Projekte, Formen und Kooperationen ausprobieren und weiterentwickeln. «Und wenn sie sich verselbständigt haben, wurden sie in die Welt entlassen, wo sie weiterwirken können», fasste es Sabine Schnell, ressortverantwortliche Kirchgemeinderätin «Bildungskirche» in ihrer Würdigung zusammen. Das macht den Arbeitskreis im wahrsten Sinne zu einem progressiven Labor, dem Luzia Sutter Rehmann ihren Stempel aufgedrückt hat. Bereits 2009, als hierzulande noch kaum jemand von Veganismus sprach, lancierte sie ein Guetsli-Backen ohne Verwendung von tierischen Zutaten. Verteilt wurden die Leckereien dann zusammen mit Informationen zur industriellen Tierhaltung, Fleisch- und Milchproduktion an Passant*innen vor Ort. Luzia Sutter Rehmann war es auch, die das politische Nachtgebet in Biel wiedereinführte und sich für den «Frauenplatz Biel» engagierte, welcher sich für Gleichstellung der Geschlechter stark macht, unter anderem mit feministischen Stadtführungen und jeweils einer Veranstaltung zum Internationalen Tag der Frauen am 8. März. Unter ihrer Leitung wurde 2013 auch ein Brunnen in der Bieler Altstadt im Gedenken an die Geflüchteten auf und die Ertrunkenen im Mittelmeer in einen von Kerzen umringten Leuchtturm verwandelt, sowie der Thinktank «Sexualität im kirchlichen Kontext» gegründet. Theologiekurse, Lesegruppen, Seminare, interkulturelle Friedensarbeit zur Förderung des interreligiösen Dialogs und Queeres Leben in den verschiedensten Facetten umfassten Luzia Sutter Rehmanns Themenpalette und Tätigkeiten in Biel. An der Universität Basel ist sie zudem Lehrbeauftragte und Titularprofessorin. Auch als Autorin hat sie Herausragendes geleistet und vermag immer wieder Bibelwissenschaft und soziale Realitäten zu verknüpfen. In ihrem 464 Seiten starken Werk «Wut im Bauch» befasst sie sich beispielsweise profund mit «Hunger» als zentralem Thema der Bibel.

Dem Schreiben und dem Nachspüren ihrer Themen wird sie künftig noch mehr Zeit widmen. Bereits ist ihr nächstes Buch fürs erste Halbjahr 2023 angekündigt. In «Dämonen und unreine Geister» geht es um die Lesung der Evangelien vor dem Hintergrund von Krieg, Vertreibung und Trauma. Im Fernstudium «Feministische Theologie und Spiritualität» doziert sie bis 2023 zusammen mit der römisch-katholischen Theologin und feministischen Weggefährtin, Monika Hungerbühler, die auch durch diesen Abend im Wyttenbach-Haus in Biel führte. Die launige Laudatio hielt die Theologin und SRF-Religionsexpertin, Judith Wipfler. Würdigungen, Rückblicke und Ausblicke hielten u.a. Noël Tshibangu, der die Nachfolge von Luzia Sutter Rehmann antritt, sowie Albrecht Hieber, ehemaliger Kirchgemeinderat der deutschen Reformierten Kirchgemeinde Biel. Katja Wißmiller zog die Anwesenden mit zwei überaus lebendig erzählten Geschichten aus der Bibel in ihren Bann. Und der Seeländer Musiker und Dirigent, Jérémie Jolo, begeisterte mit seinem stimmungsvollen Klarinetten-Spiel.

Am Ende sind sich alle einig: «Es war ein typischer Luzia Sutter Rehmann-Abend». In der direkten Begegnung mit ihr wird spürbar: Da gärt noch viel mehr an Lust und an Ideen für die Zukunft und die Freude auf alles, was noch kommt.

Text: Amira Hafner-Al Jabaji für aufbruch.ch

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