Alle Menschen sind vor Gott gleich, Punkt.

Eine drängende Zeitfrage ist diejenige, ob alle Menschen heiraten dürfen in der Schweiz. Heirat bietet einen rechtlichen Schutz, der beispielsweise im Konfliktfall oder in bestimmten Notsituationen wichtig wird. Diesen rechtlichen Schutz haben alle Paare nötig, unabhängig vom Geschlecht und der sexuellen Orientierung.

Zugleich geht es um die Anerkennung der Menschenrechte, denn alle Menschen haben das Recht, ihre Sexualität so zu leben und zu gestalten, wie es ihnen entspricht. Als Kirche sind wir aufgefordert, einzustehen für diese Rechte, für alle Menschen. Es geht nicht einfach um Toleranz oder die Aufhebung bestehender Diskriminierung, sondern um das bewusste Einstehen für Anderssexuelle und vielleicht auch um den Verzicht auf Privilegien, die bisher nur Heterosexuellen zugestanden wurden.

Die strukturell Schwächeren zu schützen, ihnen Rechtssicherheit zu gewähren, ist nicht nur eine Frage der Barmherzigkeit, sondern auch der Stabilisierung der Gesellschaft. An beidem hat die Kirche eigentlich grosses Interesse.

Vor Gott sind alle Menschen gleich

Theologisch geht es auch um die Frage, wer zur Kirche gehört. Ist die Kirche die Gemeinschaft der Heterosexuellen, die Anderssexuelle an den Rand verweist oder duldet? Oder ist Kirche ein herrschaftsfreier Raum für alle – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Identität? Wer weist wem den Raum zu? Wir glauben: Es ist Christus, der den Kirchenraum aufspannt für alle Menschen, die guten Willens sind. Denn vor Gott sind alle Menschen gleich. Und in Christus sind alle gesellschaftlichen Unterschiede aufgehoben.

Konkret heisst das, dass die Kirche mehr ist als ein Gebäude, mehr als eine Behörde und sicher keine eingeschworene Gruppe. Wir alle sind Kirche! In der reformierten Kirche schreibt niemand den Anderen vor, was sie zu sein oder zu tun haben. Hier geht es um Menschlichkeit, darum, einander menschlich und auf Augenhöhe zu begegnen, miteinander nach Wegen zu suchen, die aus dem Unrecht führen – und nicht neues Unrecht schaffen.

Ein Zeichen setzen

In der reformierten Kirche haben unterschiedliche Meinungen Platz. Die Diskussionskultur ist vielleicht nicht so stark, wie sie sein könnte. Aber wir wissen, dass Fragen und Einwände, andere Gesichtspunkte und Ansichten sich reiben und bereichern können. Hier wird kein Glaubensbekenntnis gefordert oder nachgebetet. In diesem Sinne steht es allen frei, zu denken und zu glauben, wie es ihrem Gewissen entspricht. Damit setzt die reformierte Kirche auch ein Zeichen für die Gesellschaft. Sie ist kein Hort der Rechtgläubigkeit oder der Besserwissenden, sondern ein Ort des Miteinanders. Darum gibt es auch kein Lehramt in der reformierten Kirche. Denn wir lernen gemeinsam. Das betrifft auch die Bibellektüre. Es gibt kein «das steht aber da und so ist es!” Sondern wir lesen und fragen, beziehen Hintergrundwissen mit ein und lassen uns von den Texten überraschen.

Oft wird behauptet, dass Homosexualität in der Bibel verboten sei. Homosexualität ist in der Bibel ein Randthema, sie kommt kaum vor. Aus den ganz wenigen Bemerkungen lassen sich kaum Schlüsse ziehen. Die Bibel bietet keine Praxisanleitung für Fragen, welche zum damaligen Zeitpunkt noch nicht aktuell waren. Wichtig bleibt: Gott schuf die Menschen nach seinem/ihrem Bild, männlich und weiblich. Alle Menschen sind so, wie sie sind, gottgewollt. Daran halten wir uns und dafür setzen wir uns ein.

Noël Tshibangu und Luzia Sutter Rehmann