Glocken in der ganzen Schweiz läuteten den Frauenstreik vom 14. Juni 2019 ein.
Hören Sie hier die Glocken der Bieler Stadtkirche im Ring:

Als in Biel die Glocken von den reformierten und röm.-katholischen Kirchen gemeinsam läuteten, durchriselte es mich: Ja, genau, endlich! Die Glocken läuten ja immer wieder, was war denn so besonders, möchte man vielleicht fragen, dass sie am 14. Juni 2019 läuteten?

Die Frauenhäuser der Schweiz hatten die Idee lanciert, dass die Kirchen um 11h als Auftakt des landesweiten Frauenstreiks läuten könnten – als Zeichen gegen die Gewalt an Frauen. In der reformierten Landeskirche des Kanton Aargaus beschloss gar der Kirchenrat, dass die Glocken läuten sollten – aber um 15.24h. Dies ist der Zeitpunkt, von dem an die Frauen gratis arbeiten, weil sie noch immer 19% weniger Lohn für gleiche Arbeit erhalten. Diese Idee gefiel mir auch sofort und ich habe keine Mühe damit, dass die Glocken an unterschiedlichen Zeiten und aus anderen Gründen erklingen – Hauptsache, sie machen auf die Ungerechtigkeiten gegenüber der weiblichen Hälfte der Bevölkerung aufmerksam.

Brigitte Hählen und viele andere auf dem Zentralplatz

Als ich Kolleg*innen in Basel, Binningen, Bottmingen, Therwil, Schaffhausen, Chur, Flawil, Zürich, Uster, Aarau, Windisch, Olten, Luzern, Bern, Bürglen, Thun u.a. anschrieb, um zu fragen, ob und wann bei ihnen die Glocken läuten wurden, wussten noch viele nicht, ob dies überhaupt möglich war. Auch wenn der aargauische Kirchenrat oder auch derjenige in Zürich sich dafür aussprachen, musste dies an die Basis gelangen. Jeder Sigrist, jede Kirchgemeinderätin, viele Pfarrpersonen mussten es wissen und wollen und umsetzen. Sonst blieb der Entscheid irgendwo hängen.

Nun stiess ich zwar etwas an, doch damit war noch nichts gewonnen. Einige antworteten enttäuscht: sie hätten die Pfarrerin oder den Kirchgemeinderat gefragt, aber da sei nichts zu machen. Glocken dürften nicht aus politischen Gründen läuten. Ok, wir müssen also eine Andacht anbieten, eine Lesung (z.B. des Streikmanifests) oder zum Singen einladen, dann kann man dies publizieren und die Glocken werden geläutet. Einige schrieben mir, das würden sie jetzt machen, andere aber seufzten,  ihnen fehlte die Zeit, dies auch noch zu organisieren. Muss frau denn alles selber machen!?! Umso schöner, dass wiederum andere berichteten, wie sich spontan Frauen aus der Gemeinde entschlossen hätten, dies mit den Glocken an die Hand zu nehmen.

A propos: Glocken setzen nicht nur ein Zeichen, sie setzen auch in Bewegung, und die braucht es noch immer. Denn natürlich gab es auch Kritik. So z.B. im BielBienne vom 12.6. Doch viele Leser*innenbriefe widersprachen dem abschätzigen Kommentar sofort, weil sie die Botschaft der Glocken verstanden hatten.

Luzia Sutter Rehmann

#Streikgründe