Studienleiterin Barbara Heer traf die Buchautorin und Feministin Franziska Schutzbach im August in Basel und wollte von ihr wissen, ob sie sich auf die Lesung in Biel am 17. September freut und was sie sich von den Wahlen am 20. Oktober erhofft.
Franziska, du kommst am 17. September nach Biel ins Haus pour Bienne und machst eine Lesung zu deinem neuen Buch von 2018 mit dem Titel «Die Rhetorik der Rechten». Wie bist du dazu gekommen, dieses Buch zu schreiben? Was war der Auslöser?
Ein stückweit ist es inspiriert von einer Vorlesung von Adorno zum neuen Rechtsradikalismus von 1967 (mehr dazu hier, Anmerkung der Redaktion). Er argumentierte darin, dass, wenn man dem Rechtsradikalismus etwas entgegensetzen will, ihn erstmal kennen muss. Es geht mir im Buch also nicht nur um wissenschaftliche Analyse, sondern auch um ein politisches Engagement. Zudem hat mich ein Blogeintrag von der Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl inspiriert, in dem sie einige rechtspopulistische Kommunikationsstrategien analysierte. Innerhalb von zwei Monaten schrieb ich das Buch und der Xanthippe Verlag willigte spontan ein, es rasch zu publizieren. Natürlich ist es eine subjektive Auswahl von 20 Diskursstrategien, die hätte man auch anders treffen können. Ich arbeitete zusammen mit dem Rechtspopulismusforscher Floris Biskamp. Es war uns auch wichtig, die Geschichte der SVP anzuschauen, denn die Schweiz hat eine sehr lange Tradition von rechtspopulistischer Rhetorik. Die SVP ist gewissermassen „Avantgarde“ und Vorbild für viele aktuelle Rechtspopulisten in Europa. In den 1990er erfolgte bekanntlich die Wende der SVP von einer bürgerlichen Volkspartei hin zum Rechtspopulismus. Erst diese Hinwendung zum Populismus hat diese Partei so erfolgreich gemacht.
Die Schweiz steht Mitte 2019 an einem besonderen Ort, Sichtwort Klimademos und Frauen*streik. 100’000 von Menschen verschiedenster Generationen sind in den letzten Monaten auf die Strassen gegangen, weil sie sich eine klimafreundliche und feministische Schweiz wünschen. Im Herbst stehen Wahlen an. Bist du auch der Meinung, dass die Schweiz sich verändert hat in den letzten Monaten, oder bist du weniger optimistisch? Was erwartest du oder wünschst du dir von den Wahlen?
Die Schweiz gehört zur Avantgarde beim Rechtsrutsch, jetzt könnte sie zur Avantgarde werden beim Rückgang der rechten Dominanz. Der Rechtspopulismus demaskiert sich aktuell selber immer mehr. Für drängende Fragen – Gleichberechtigung, Klima, soziale Gerechtigkeit – hat er schlicht nichts anzubieten. Ich habe deshalb durchaus Hoffnung, dass es eine Art Erwachen gegeben hat in den letzten zwei Jahren, verschiedene soziale Bewegungen waren daran massgeblich beteiligt. Ich denke, dass es bei den Wahlen im Herbst zumindest eine Verschiebung geben wird. Es gibt gewisse Anzeichen dafür, z.B. dass der Frauenanteil bei den Kandidierendenlisten hoch ist, auch die kontinuierliche Präsenz des Klima- und Geschlechterthemas könnte mehr progressive Wähler*innen mobilisieren. Die Leute haben genug von rückwärtsgewandter Politik, die Frage ist, ob der riesige Nicht-Wähler*innenanteil, den es gerade unter jungen Frauen gibt, sich bewegen lässt.
Du hast zum Buch schon an den verschiedensten Orten Lesungen abgehalten. Was bedeutet es für dich, vor Bieler Publikum zu sprechen?
«Es heimelet» für mich natürlich. Ich bin in der Gegend aufgewachsen, habe viele Jahre in Biel gelebt, und bin erst vor kurzem nach Basel umgezogen. Ich habe Biel als sehr warmherzig und positiv in Erinnerung. Ich erfahre Bieler*innen als Menschen, die das Herz am rechten Ort haben, und komme deshalb sehr gerne nach Biel. Biel ist auch politisch eine Modellstadt, mit der doch einigermassen komplizierten multikulturellen und mehrsprachigen Situation. Biel ist für mich eine Stadt, die vieles schafft, wie z.B. eben mit dieser Diversität umgehen, was auch für andere Schweizer Städte wünschenswert wäre. Ich arbeite auch weiterhin zu Biel mit unserem Buchprojekt zur Geschichte von Schwarzen Frauen. Dabei lerne ich nochmals spannende Aspekte der Stadt kennen und erhalte Einblicken in für mich neue Welten. Die Gespräche mit diesen schwarzen Bielerinnen ermöglicht mir auch, meine eigene Wahrnehmung der Welt nochmals zu hinterfragen.
Vielen Dank, Franziska. Wir freuen uns auf deine Lesung am 17. September in Biel, um 19.00 im Haus pour Bienne.
Man kann das Buch hier kaufen. Der Arbeitskreis für Zeitfragen organisiert am 10. September und 24. September im Ring 3 eine Lesegruppe zum Buch.