Manch eine Bielerin oder ein Bieler wird sich darüber wundern und vielleicht sogar Anstoss nehmen daran, dass an unseren Kirchtürmen grosse Fahnen hängen. Sie sagen zur Konzernverantwortungsinitiative JA ! Das ist eine ungewöhnliche und bisher einmalige Aktion unserer Reformierten Kirchgemeinde, welche diese Volksinitiative zu unterstützen beschlossen hat.
Der geplante Anlass vom 3. November mit dem Film „Der Konzern-Report“ und dem Gespräch mit Bruno Riesen, Ökonom, ehem. Kampagnenleiter Amnesty International, Wahlendorf und Elísio Macamo, Professor für Soziologie, Basel muss leider coronabedingt abgesagt werden. Den Film „Der Konzern-Report“ kann man jedoch auch online sehen unter diesem Link.
Ende November wird das Schweizer Volk abstimmen über die sogenannte KOVI Initiative. Sie geht in erster Linie auf die christlichen Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer zurück. Aber hinter der Initiative stehen ausser der Evangelischen Kirche Schweiz auch die Schweizer Bischofskonferenz, die Evangelische Allianz und der Verband der Freikirchen Schweiz. Ausserdem wird die Initiative unterstützt von der überwiegenden Mehrzahl christlicher Organisationen, der Hilfs- und Entwicklungswerke und der Organisationen zum Schutz der Menschenrechte, wie ACAT und Amnesty International.
Was ist der Ursprung der Initiative? Sehr viele international tätige Grosskonzerne haben ihren Sitz in der Schweiz. In den letzten Jahren und Jahrzehnten mussten die Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit immer wieder feststellen, dass in zahlreichen Betrieben, Bergwerken, Fabriken oder Tochtergesellschaften dieser Konzerne Menschenrechtsverletzungen und grosse Umweltschäden passieren. Angesichts der wirtschaftlichen Macht und des politischen Einflusses dieser Gesellschaften wird die nach Schweizer Recht eigentlich selbstverständliche Haftung in vielen Fällen ignoriert oder umgangen. Die Leidtragenden sind die betroffenen Menschen und die Natur.
Was will die Initiative? Sie fordert eigentlich etwas Selbstverständliches: Die Konzerne sollen für die Schäden geradestehen, die sie bei ihren Tätigkeiten besonders in armen Ländern mit schwachen Regierungen verursachen. Ob es in Peru um die Verschmutzung von Luft und Wasser mit Schwermetallen geht und Kinder Bleivergiftungen mit dramatischen Gesundheitsschäden erleiden oder um einen Pestizideinsatz in Indien, bei dem hunderte Landarbeiter vergiftet werden oder um eine Zementfabrik im Südwesten Nigerias, welche die Luft und die Umwelt so massiv verschmutzt, dass dies für die Lungen und Atemwege der Bewohner/innen katastrophale Folgen hat… Was in der Schweiz ganz selbstverständlich nicht nur zu einem öffentlichen Aufschrei führen würde, sondern eben auch zu hohen Schadenszahlungen durch die entsprechende Firma, das wird in wirtschaftlich abhängigen Ländern oft ignoriert, unter den Teppich gekehrt oder sogar durch den Einsatz von Polizei und «Sicherheitskräften» unterdrückt. So unterbleibt oft auch die Forderung nach sofortiger Beseitigung der Schadensursachen.
Weshalb wird die Initiative von den christlichen Kirchen unterstützt? Die Initiative nimmt zwei zentrale Anliegen des christlichen Glaubens auf. Im weltweiten Zusammenhang tritt sie ein für Nächstenliebe und die Bewahrung der Schöpfung. Sie möchte dazu beitragen, dass Menschen nicht mehr misshandelt und benachteiligt werden, weil sie sich für ihre Rechte, ihre Würde und ihre Lebensgrundlagen einsetzen. Nach der biblischen Botschaft macht Gott sich stark für die Schwachen und Rechtlosen und setzt sich ein für Gerechtigkeit. Im christlichen Glauben bekennen wir auch, dass Gott uns Verantwortung übertragen hat für seine Schöpfung und deren Bewahrung. Dort wo Gottes Schöpfung und die Lebensgrundlagen von Menschen, Tieren und Pflanzen zerstört oder gefährdet werden, sind wir herausgefordert zur Stellungnahme und zur Umkehr. Durch die Initiative soll verhindert werden, dass weiterhin aufgrund wirtschaftlicher Interessen und von Profitstreben Menschen leiden müssen und die Schöpfung zerstört wird. Aus dieser Verantwortung heraus nimmt unser Kirchgemeinderat klar Stellung für die Initiative, und er hofft, dass durch sie ein klares Zeichen zum Umdenken gesetzt wird im Sinn christlicher Wirtschaftsethik. Dabei soll wirtschaftliches Tun dem Wohlergehen von Mensch und Schöpfung dienen und nicht Profitstreben über allem Wirtschaften stehen.
Bericht zur Initaitive auf SRF1 im 10vor10 vom 20. Oktober.
Albrecht Hieber, Kirchgemeinderat