Die feministisch-befreiungstheologische Sommerakademie in Biel

Bericht eines Tagungsteilnehmers

Vielfalt ist mir als Begriff der diesjährigen evangelischen Sommerakademie geblieben. Dank dem Arbeitskreis für Zeitfragen und der Initiative von Prof. Dr. Luzia Sutter Rehmann fand die Online-Veranstaltung für eine Gruppe Interessierter auch vor Ort im Wyttenbachhaus statt. An der Veranstaltung nahmen insgesamt über 200 Teilnehmer*innen teil, die meisten online.

Rund 20 Personen fanden sich also in Biel unter dem Titel „Maria Magdala und die Apostelinnen“ zu einer abwechslungsreichen Veranstaltung zusammen, die eine grosse Vielfalt von Referaten mit einer ebensolchen Vielfalt an Formen des Austausches verband.

Es war bereichernd, dass es neben den Referaten auch Fragerunden und Abendsegen, Musik, Körperübung, Morgenbesinnung samt einem sehr schönen spirituellen Ausklang gab. Kein Wunder war auch das gemeinsame Abendessen von weiterführenden Gesprächen geprägt und natürlich auch von der Freude am Essen und Trinken.

Anführerinnen und Zeuginnen

Das einleitende Referat von Luzia Sutter Rehmann nahm uns auf eine biblisch-sozialgeschichtliche Spurensuche zu Maria und zur Hafenstadt Magdala mit. Der Name Mirjam/Maria etwa verweist auf „Anführerin“. Eine mutige und zukunftsgerichtete Führung war in der Zeit der Entstehung des Markusevangeliums gefragt. Bei kundiger und genauer Lektüre sind verschiedene Hinweise darauf zu finden. Wer wünscht sich nicht auch heute solche Anführerinnen? Aber es gibt sie ja – Greta Thunberg beispielsweise. Diese Spurensuche erlebte ich als herausfordernd, ermutigend und inspirierend.

Ebenso spannend war der Einblick in die apokryphen Schriften, den Prof. Dr. Silke Petersen ermöglichte. Für mich war es ein neuer Gedanke: Sich nicht darüber zu ärgern, was alles ausserhalb des Kanons bleiben musste, sondern einfach die ganze Vielfalt der Schriften zu Wort kommen lassen. Dass die Fragen nach der Rolle der Geschlechter in der Gesellschaft und in der Nachfolge von Jesus bereits damals sehr vielfältig diskutiert wurde, war für mich ein weiterer lehrreicher Hinweis.

Frauen – was jetzt?

Besonders anregend war das Gespräch der vier Theologinnen unter der Moderation von Dr. Christiane Florin. Da wurde gesucht und widersprochen, was bei mir die Gedanken zum Fliegen brachte. Im Austausch mit den Teilnehmer*innen konnte das vertieft werden und auch die Bieler Ideen konnten wir gut einbringen.

Das sind einige meiner persönlichen Höhepunkte der Veranstaltung. Sie zeigte mir Maria Magdala als wichtige Stimme, die in unseren Kirchen noch immer viel zu wenig Raum und Gewicht bekommt. Diese Tagung nährt den Wunsch nach einem post-patriarchalen Christentum, das näher an der Bibel und zugleich an aktuellen Fragen dran wäre.

Vital Weber