Kommentar zur Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs im Kanton Bern

Am 29. April findet zum Thema eine Bildungs- und Austauschveranstaltung statt: Beschleunigte Asylverfahren und kantonale Neustrukturierung – Auswirkungen auf die Freiwilligenarbeit mit Geflüchteten. Hier gibt es die Detailinfos dazu.

Wenn ich das Wort Nabe höre, dann denke ich an Räder, an Veloräder um genau zu sein. Die Nabe ist deren Zentrum. Es gibt sie natürlich auch bei Auto- und andern Rädern, aber bleiben wir beim Velo: es ist ein sympathisches Fortbewegungsmittel, das mir ermöglicht, mich in einem überschaubaren Umkreis flexibel und rasch fortzubewegen, es ist umweltfreundlich, günstig und lässt mir die Freiheit, überall anzuhalten, mich neu zu orientieren, gar einfach umzudrehen. Alles in allem eine wunderbare und runde Sache.

Seit kurzem hat dieses schöne Bild einen Knacks. Seit einiger Zeit hat das Wort nämlich eine weitere Bedeutung: „NA-BE“ steht jetzt auch für „Neustrukturierung des Asyl- und Flüchtlingsbereichs im Kanton Bern“. Da geht es zwar auch um Zentren, aber es ist keine runde Sache.

Unterkunft für Geflüchtete – heute noch genauso aktuell wie vor 2000 Jahren.

Geld – viel Geld

Es geht um viel – um viel Geld vor allem. Für die einen ist die Betreuung von Asylsuchenden eine Herzensangelegenheit oder zumindest etwas, dass man regional und mit verlässlichen, bekannten und lokal vernetzten Partnern machen möchte, möglichst nachhaltig und ganz bestimmt nicht gewinnorientiert. Für andere ist es offenbar vor allem eines: ein lohnendes Geschäft. Dass es dabei um Menschen geht, die oft Unvorstellbares durchgemacht haben, traumatisiert sind und verunsichert, also um Menschen, die besonders verletzlich sind und darum auch besonders gut betreut werden müsen, scheint da in den Hintergrund zu rücken.

Der Bund will vieles ändern im Asylwesen und macht den Kantonen Vorgaben. Unter anderem, die Integration von Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen zu verstärken. Dadurch sollen möglichst viele Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integriert und von der Sozialhilfe unabhängig werden, was grundsätzlich begrüssenswert und sinnvoll ist. Aber nicht um – wortwörtlich – jeden Preis.

Neuorganisation mit fünf Asylregionen: Stadt Bern, Mittelland, Oberland, Seeland-Berner Jura, Oberaargau-Emmental.

Ab 2020 will der Kanton Bern statt mit 13 Partnerorganisationen nur noch mit max. 5 arbeiten. Diese sollen die operative Gesamtverantwortung der jeweiligen Region übernehmen. Der Kanton hat diese Aufträge öffentlich ausgeschrieben. Und genau da liegt der Haken: Die ORS, Branchen-Leaderin in der Asyl-Betreuung, möchte sich am liebsten den ganzen Kuchen – also den ganzen Kanton – unter den Nagel reissen. Wie sie das schaffen will? Möglichst billig! Und damit gleichzeitig möglichst viel Geld verdienen. Die Aargauer Zeitung schreibt zu ORS: „Hinter ORS steht ein komplexes Firmengeflecht. An oberster Stelle ist die OXZ Holding mit Verbindung zur Private-Equity-Gesellschaft Equistone mit Sitz in London. Die OXZ führt die ORS Holding AG. Dort sind die ABS Betreuungsservice AG, die ORS Service AG, die ORS Management AG und die OSP Organisation für spezialisierte Personaldienstleistungen AG vereint.“

Kosten decken ja – Gewinn machen nein!

Nachdem wir jahrelang Meldungen gehört haben zum Profit, den Schlepper mit Flüchtenden machen, bleibt mehr als nur ein schaler Nachgeschmack, wenn offiziell beauftragte Firmen mit den Geflüchteten hohe Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit machen. Eigentlich müssten Bund und  Kantone fordern, dass diese Aufgabe kostendeckend und in Achtung der Menschenwürde erbracht werden soll, aber kein Gewinn erwirtschaftet werden darf. Wer sich nicht daran hält, bekommt den Auftrag nicht. Punkt.
Es gibt keinen einzigen plausiblen Grund, warum mit der Betreuung von Geflüchteten durch Steuergelder Gewinn gemacht werden soll. Schon gar nicht durch eine Firma, die durch komplexe Konstrukte ihren Gewinn möglicherweise – wenn überhaupt – dann auch noch im Ausland versteuert.

Hintergrundinfos zum Thema:
www.kkf-oca.ch
AsylNews 4-18

Quellen:
Bieler Tagblatt vom 5.12.18
Zusammenstellung von Rudolf Albonico, Biel
Solothurner Zeitung
Aargauer Zeitung

Kommentar von Maria Ocaña, Arbeitskreis für Zeitfragen