Was wir von der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) lernen können
Am 27. Mai fand die Frauen- und Genderkonferenz der evangelischen Kirche Schweiz (EKS) statt. Das Thema sexualisierte Gewalt stand im Vordergrund. Zunächst wurde über die EKD-Studie zu sexualisierter Gewalt (Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland) berichtet. Die 2‘225 untersuchten Fälle (1946-2021) zeigen unterschiedliche und schlimme Formen von sexualisierter Gewalt an Minderjährigen: ein unglaublich düsteres Bild, in Kirchgemeinden sowie weiteren diakonischen Werken. Schockierend ist unter anderem, dass 40% der wegen sexualisierter Gewalt Beschuldigten Pfarrpersonen sind. Es ist offensichtlich nicht einfach ein Problem der katholischen Kirche oder ein allgemeines Phänomen.
Aus der Studie geht hervor, dass diese unhaltbaren Zustände durch viele Faktoren begünstigt werden: strukturelle, systemische, organisatorische usw. Konkret heisst das u.a. unklare Verantwortlichkeiten in den Strukturen, keine systematisierte Dokumentation, kaum geeignete Bildung für kirchliche Pfarr- und andere Fachpersonen zu diesem Thema, Manipulation durch die Deutungskompetenz der Schriften, überhöhtes Bild und Stellung der Pfarrpersonen, Tabus, das Kumulieren von Machtpositionen in wenigen Händen und Rollendiffusion, beispielsweise in der Seelsorge. Die Studie der EKD ist disziplinaraktenbasiert. Folglich geht sie von einer sehr grossen Dunkelziffer aus.
Was die Massnahmen dagegen anbelangt, sind die deutschen Kirchen nicht untätig geblieben. Allerdings bleiben noch viele Baustellen offen, etwa bei der Versorgung von Betroffenen resp. Opfern von Missbräuchen. Weitere Inputs an dieser Tagung verwiesen auf Dynamiken von Machtansprüchen und der Domination in Strukturen wie auch auf die Notwendigkeit der Bildung zu Sexualität.
Was heisst das für die Schweiz?
Die EKS geht davon aus, dass die Verhältnisse hierzulande recht ähnlich sind. In der Schweiz gibt es schon einzelne gute Ansätze, wie beispielsweise Schutzkonzepte. Bei uns in Biel kann man sicher sagen, dass die Beauftragung von „Frac“ als Meldestelle für die Reformierte Kirchgemeinde Biel eine gute Sache ist. Die Reflexion auf der strukturellen und systemischen Ebene wie auch die konzeptionellen Arbeiten im Arbeitskreis für Zeitfragen-Kernbereich „Sexualität im kirchlichen Kontext“ sehen wir als wichtigen Beitrag zu diesem komplexen Themenfeld. Hilfreiche Kontakte zu den Arbeitsgruppen der EKS haben wir inzwischen geknüpft. Ergebnisse für Biel sind zunächst in der Verankerung der Thematik «Sexualität im kirchlichen Kontext» zu etablieren, konzeptionell, präventionsbezogen und ressourcenmässig.
Der Arbeitskreis für Zeitfragen ist daran, Leitsätze für die reformierte Kirchgemeinde Biel auszuarbeiten. Informationen und sonstige Beiträge sind willkommen.