Hier das Gesamtprogramm.

Im Kanton Bern sind bereits ca. 20% der Bevölkerung konfessionslos, in städtischen Gebieten sind es bereits viel mehr (Verwaltungskreis Biel: ca. ein Viertel der Bevölkerung). Viele Menschen, die aus ihrer Religion ausgetreten sind, verstehen sich zum Teil aber weiterhin als spirituell. Sie fühlen sich in gewissen Momenten verbunden mit einer „höheren Kraft“, glauben mehr oder weniger an Glücksbringer, lernen Meditation oder praktizieren täglich Yoga. In der diesjährigen Woche der Religionen rückt der runde Tisch der Religionen Spiritualität und Mystik ins Zentrum, da diese Themen insbesondere auch Menschen interessieren, die sich nicht zugehörig zu einer Religion fühlen. An verschiedenen Veranstaltungen können Besuchende spirituelle Praktiken aus verschiedenen Weltanschauungen kennenlernen und mit den eigenen Sinnen eintauchen in die spirituelle Vielfalt der Stadt Biel.

Haben Sie schon mal versucht, mit Worten zu erklären, wie man einen Ball wirft, ohne es mit Ihren Armen anzudeuten? Menschen, die Auto fahren lernen, erleben das auch. Die Fahrlehrerin kann zwar erklären, wie die Kupplung funktioniert, aber begreifen mit dem Kopf alleine reicht nicht: als Fahrschülerin muss man es selber ausprobieren und viel üben. Sobald man es verinnerlicht hat und praktisch im Schlaf kann, hat man häufig vergessen, wie man das Kuppeln jemand anderem erklären soll mit Worten.

Diese körperliche, schlecht durch Worte fassbare Seite des Lebens ist auch im Alltag der eigenen Religion und im Kennenlernen anderer Religionen wichtig. Viele Religionen haben kulturelle und religiöse Elemente, die die Menschen über die Sinne ansprechen, z.B. Singen, Tanzen, Meditation oder zu meditativen Zuständen führende Formen des Betens. Je nach Definition und Religion werden solche Praktiken und Rituale als Teil der Spiritualität oder Mystik bezeichnet.

Spiritualität als Brücke im interreligiösen Dialog?

Der Runde Tisch der Religionen Biel hat das Thema Spiritualität und Mystik ins Zentrum der diesjährigen Woche der Religionen gestellt. Am Montag, 4.11. kann man im Multimondo spirituelle Praktiken aus verschiedenen Weltanschauungen kennenlernen und mit den eigenen Sinnen eintauchen in die religiöse Vielfalt. Am Freitag, 8.11. wird der Film «Closer to God» im Wyttenbachhaus gezeigt, der Einblicke in den Sufismus, eine mystische Strömung des Islams, ermöglicht.

Kann das Gespräch über Spiritualitätsformen und sogar praktisches Einüben in der Vielfalt der Spiritualitäten neue Formen von Begegnungen und Brücken zwischen Religionen, und zwischen Religiösen und Nicht-Religiösen ermöglichen? Der runde Tisch der Religionen vermutet und hofft, dass in Begegnungen rund um Spiritualität auf neuen Wegen die Gemeinsamkeiten zwischen Religionen entdeckt und selber erfahren werden können. Der runde Tisch lädt Sie deshalb dazu ein, über den Begriff Spiritualität nachzudenken, Mystik-Traditionen verschiedenener Religionen kennenzulernen, und selber spirituelle Praxen auszuprobieren.

wer ist der runde Tisch und was ist die Woche der Religionen?

2019 sind 25 Institutionen bei der Woche der Religionen 2019 beteiligt, und zwar nicht nur Religionsgemeinschaften: Es gibt zwei Ausstellungen, eine im Multimondo und eine in der Stadtbibliothek. Des Weiteren sind die überregionale Organisationen wie die Hochschule der Künste Bern, das National Coalition Building Institut (NCBI) und die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus aus Zürich mit an Bord.

Der Runde Tisch der Religionen Biel (RTR) existiert seit 2002 und ist eine regionale Plattform für interreligiösen Dialog. Er wird zweisprachig geführt. Das Ziel ist die religiöse Vielfalt Biels in der Öffentlichkeit zu thematisieren und das Beziehungsnetz und die Gesprächskultur zwischen religiösen Gemeinschaften zu stärken (www.ref-biel.ch/runder-tisch). 2019 engagieren sich rund 20 Einzelpersonen und Leitungspersonen von religiösen Gemeinschaften der Region, die verschiedenen Konfessionen des Christentums, Judentums, Islams, und Hinduisms angehören. Darunter sind folgende religiösen Organisationen: jüdischen Gemeinde Biel, reformierte Kirchgemeinde Biel, katholische Kirche Biel, Bahaï Zentrum Biel, Krishna-Tempel Langenthal, Universal Peace Federation Biel, Gemeinschaft Christen-Muslime, christlich-jüdische Arbeitsgemeinschaft und Tasamouh.

Die Woche der Religionen wird jährlich in der ganzen Schweiz durchgeführt. An über 100 Veranstaltungen in der ganzen Schweiz – von Biel bis Basel, Zürich, Luzern, Neuchâtel, Baden, Aarau, Fribourg, Genf – begegnen sich Menschen mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Wurzeln. So baut die Woche der Religionen Vorurteile und Ängste ab und fördert ein respektvolles Zusammenleben. Sie wird national koordiniert von IRAS-Cotis, der Dachorganisation von im interreligiösen Dialog engagierten Akteuren.

Jüdinnen und Juden in der Schweiz

Das Zusammenleben in Vielfalt verläuft nicht immer friedlich. Der rechtsextremistische Anschlag auf Jüdinnen und Juden in der Stadt Halle im September 2019 ist leider ein Zeugnis davon. Terroristische Anschläge auf religiöse Minderheiten zeugen von grossen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen. Was es für Jüdinnen und Juden bedeutet, in der multikulturellen und multireligiösen Schweiz zu leben, wird in zwei Veranstaltungen thematisiert.

Am Donnerstag, 31.10., wird im Multimondo um 18:30 eine Ausstellung zu jüdisch-muslimischen Freundschaften eröffnet. Die Ausstellung von NCBI macht deutlich dass, obwohl der Konflikt zwischen Israel und den arabischen Ländern für Spannungen zwischen Muslim*innen und Juden sorgt, sie in ihrem in ihrem Alltag in der Schweiz mehr verbunden sind, als man allgemein denkt. Interkulturelle und interreligiöse Freundschaften sind eigentlich etwas ganz normales, auch in Zeiten des Terrors.

Am Donnerstag, 7.11., hält in der Stadtbibliothek Dr. Dominic Pugatsch von der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus um 19:30 ein Referat zum Thema „Hass in den sozialen Medien und religiöse Minderheiten.“

Am Sonntag, 10.11., gibt es in der Stadtkirche zudem kulturelle Leckerbissen rund um jüdische Musik. Um 14.00 hält der Organist und Musikwissenschaftler Jochanan van Driel (Niederlande) ein Referat zur jüdischen Musik, um 17:00 gibt er ein Orgelkonzert mit Stücken geschrieben von jüdischen Komponisten. Im Anschluss gibt es eine Führung in der Bieler Synagoge.

 

zum Bild:

© Éditions AGORA Sandra Ruhaut Icon Sport via Getty Images. Das Thema des diesjährigen Kalenders der Religionen lautet «Der Körper – Spiegel des Heiligen». Er kann bestellt werden unter kalender@iras-cotis.ch