Hie und da ist zu lesen und auch zu hören, dass die Zukunft der Kirche, bzw. der Kirchen als Institutionen, ungewiss ist. Gottesdienste werden weniger häufig besucht, an Veranstaltungen sehen wir seltener neue Gesichter usw. In kirchinternen und externen Berichten wie auch in verschiedenen mündlichen Äusserungen treten vor allem folgende Erklärungen in den Vordergrund: Immer mehr Austritte, die Überalterung der noch in Kirchen aktiven Personen, Machtmissbrauch, sexuelle Übergriffe und Missbräuche, zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft, die mangelnde Kommunikation über das soziale Handeln der Kirchen usw. Es würde den Platz bei weitem sprengen, tiefergehend über diese einzelnen Erklärungsversuche nachzudenken. Darum möchte ich hier nur einen Aspekt aufgreifen, der uns insbesondere im Arbeitskreis für Zeitfragen (AfZ) beschäftigt.

Natürlich können wir nicht in die Kristallkugel schauen oder auf andere, ähnlich unwissenschaftliche Mittel zurückgreifen, um solche Fragen anzugehen. Der AfZ kann jedoch auf Handlungsansätze hinweisen, um diesem Trend entgegenzuwirken, und so für die ganze Kirchgemeinde Inspiration bieten.

Vielleicht sollten die Kirchen über ihre Prioritäten nachdenken? Beispielsweise folgende Fragen könnten gestellt und darüber nachgedacht werden:

  • Ist die jetzige Gewichtung der verschiedenen Angebote (noch) zeitgemäss?
  • Inwiefern sind Fachpersonen an der Priorisierung beteiligt?
  • Sind unsere Gottesdienste in den aktuellen Formen noch ansprechend, gerade auch für jüngere Menschen?
  • Welche Rolle soll die Bevölkerung in den Kirchen der Zukunft spielen und wie treten wir in Kontakt zu ihr? Reicht es beispielsweise, in der Ausschreibung zu erwähnen, dass alle willkommen sind – also z.B. auch nicht-reformierte oder kirchenferne Menschen – oder bräuchte es eine Stärkung anderer Beteiligungs- und Kommunikationsformen?

Die Frage stellt sich auch, ob die Mehrheit der Bevölkerung über die vielen Facetten und das Engagement der Kirchen in den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft überhaupt Bescheid weiss oder – zumindest teilweise – noch in längstüberholten Kategorien von «Predigt am Sonntag» und allenfalls Taufe, Hochzeit, Beerdigung denkt.

Ein Beispiel: Statt eine eigene Veranstaltung vom AfZ zum Flüchtlingstag wird dieses Jahr ein vielfältiges Wochenendprogramm für Geflüchtete mit verschiedenen Kirchen, Kirchgemeinden und vielen Organisationen der Zivilgesellschaft gestaltet. Zum ersten Mal wird dieses (neue) Flüchtlingswochenende zusammen mit der reformierten Kirchgemeinde Nidau, der römisch-katholischen Kirche Biel und dem Autonomen Jugendzentrum Biel AJZ (auch bekannt als «Chessu») organisiert. Zahlreiche Migrant*innenorganisationen werden ebenfalls mitwirken. Inspirierend ist dabei, dass z.B. der «Chessu» mit vielen Vorurteilen belegt ist, entsprechend nicht überall als «gute» Adresse gilt. Dabei wäre gerade dort ein deutlich jüngeres und möglicherweise kirchenfreundliches Publikum zu finden. Im Moment stehen also vor allem Beziehungsarbeit und gegenseitige Vertrauensbildung auf der Agenda.

Der AfZ startet diesen ersten Versuch, um sich neue Kontakte und Netzwerke zu erschliessen.
Wir wünschen uns für den AfZ, wie auch für die ganze reformierte Kirche Biel, mit dieser kurzen Einführung über einen neuen Ansatz zu weiterer Reflexion anzuregen. Wir freuen uns selbstverständlich auf Anregungen, Ideen oder kritische Anmerkungen aus der Bevölkerung und somit von Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser.

Noël Tshibangu