Seit 1981 ist die Gleichberechtigung in der Schweiz im Gesetz verankert. Vieles hat sich seither zum Besseren gewandt, vieles bleibt noch anzupacken. Die Anliegen 2023 wurden in den Medien genannt – Zeit, Lohn, Respekt.

Zeit für Sorgearbeit, angemessene Entlöhnung gerade auch im Care-Sektor, Respekt gegenüber den Leistungen der Frauen, die nach wie vor in grosser Zahl die Mehrheit der Verantwortung für die Familien tragen, vielfach in schlecht entlöhnten Branchen arbeiten, bei der Pensionierung oft nur halb so viel Geld zur Verfügung haben wie die Männer.

Die Rahmenbedingungen sind in der Schweiz nach wie vor nicht ideal für Familien mit Kindern im Schulalter – es fehlt an Tagesschulen, auf dem Land oft auch an KiTa – Plätzen und vor allem an einem Steuersystem, das den Aufwand der Doppelbelastung belohnt.

Respekt aber auch in den Köpfen: Die Wahl eines Berufes und einer klaren Vorstellung, wie wir das Leben gestalten möchten, hängt von guten Vorbildern und einer starken Bildung ab. Daran gilt es noch vermehrt zu arbeiten.

Eine friedliche Stimmung am Tag selbst und an der Demo in Bern strafte den Mediendiskurs Lügen, wonach sich die linken mit den bürgerlichen Frauen gestritten hätten. Dem liegt auch eine falsche Vorstellung einer sozialen Bewegung zu Grunde: Natürlich diskutieren die Menschen und ringen um Positionen, die jüngeren mit den nicht mehr so jungen und die neu engagierten mit den altgedienten. Aus diesen Diskussionen entstehen neue Ideen und die Chancen, gemeinsame Handlungsansätze zu entwickeln. Die Frauenbewegung war schon immer integrativ und ging mit gesellschaftlichen Anliegen voran: Die Anliegen sind nicht radikaler geworden, sie werden höchstens klarer benannt. So hiess der Streik im Jahr 2023 feministisch, weil diese Wortwahl alle integriert.

Die drei Bieler Gemeinderätinnen jedenfalls nahmen die Forderungen – die fast gleichen wie vor vier Jahren notabene – gemeinsam entgegen und versprachen, ihr Bestes zu ihrer Umsetzung beizutragen.

Sabine Schnell, Kirchgemeinderätin Bildungskirche

Muriel Günther_Frauenstreik

© Foto: Muriel Günther

Eine Einordnung des AfZ zum Frauenstreik 2023

Gleichstellungs- und Gleichberechtigungsfragen sind immer noch sehr aktuell. Sie betreffen nicht nur allein die Frauen, sondern gleichermassen auch die Männer, jung und alt, Einheimische und Zugewanderte, also die Gesamtgesellschaft. Der Arbeitskreis für Zeitfragen unterstützt gesellschaftspolitische Initiativen und Diskussionen zu diesen Thematiken. Er steht in Verbindung mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie auch mit staatlichen Akteuren und strebt Kooperationen diesbezüglich an.

Der Frauenstreik ist in diesem Sinne als wichtiger öffentlichkeitswirksamer Kristallisationspunkt unterstützungswürdig.

Noël Tshibangu