Eindrücke aus dem Gesprächsabend im Mai
Die palästinensische Christin und Autorin Sumaya Farhat-Naser setzt sich seit Jahrzehnten für Dialog, Gewaltverzicht und Friedensarbeit ein. Im Rahmen eines Aufenthalts in der Schweiz war sie am 19. Mai auch zu einem Gespräch in Biel zu Gast. Dabei gab sie berührende, ja erschütternde Einblicke ins tägliche Leben der palästinensischen Menschen in Gaza und in der Westbank (Westjordanland): Informationen, die sonst selten bis nie Eingang in die Berichterstattung der hiesigen Medien finden.
Dass das Leben im Gazastreifen mit andauernden Kriegshandlungen immer desolater und verzweifelter wird, machte tief betroffen. Gleichzeitig stellte Sumaya Farhat-Naser klar, dass dieser Krieg nicht allein die Folge des Angriffs der Hamas vom 7. Oktober 2023 sei. Es sei vielmehr ein Konflikt, der seit 80 Jahren andauere und inzwischen die Vertreibung von rund drei Vierteln des palästinensischen Volkes nach sich gezogen habe. Wie sehr dabei handfeste Interessen der Grossmächte und der aktuellen israelischen Regierung an politischer Einflussnahme und an neuen Energiequellen eine Rolle spielen, war eine erschreckende Erkenntnis.
Not auch im Westjordanland: Auch in der Westbank habe sich das Alltagsleben seit vier Monaten nochmals deutlich verschlechtert. Sumaya Farhat-Naser beschrieb es als «Leben im Gefängnis». Ausdruck davon sei etwa, dass um jedes Dorf herum Mauern mit Eisentoren stehen, deren Öffnungszeiten willkürlich gehandhabt werden. Damit wird der Bewegungsradius der palästinensischen Bevölkerung konsequent eingeschränkt. Geschäfte müssen mangels Warennachschub schliessen, die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei fast 70%, Hunger breitet sich aus, der alltägliche Gang von Kindern zur Schule ist massiv erschwert. Ja, Schulkinder wollen mittlerweile gar nicht mehr lernen, so berichtete Sumaya, weil sie damit rechnen, früher oder später ohnehin getötet zu werden.
Krieg kennt nur Verlierer: Viele Zeichen stehen derzeit auf Zerstörung und Krieg. Auf die Frage, ob es auch etwas Ermutigendes gebe, wies Sumaya Farhat-Naser darauf hin, dass immer grössere Teile der israelischen Bevölkerung ebenfalls unter dem Krieg litten und deshalb die Proteste – insbesondere von Frauen – in Israel selbst zunähmen. Im Krieg verlören zweifellos alle, die einen mehr, die anderen etwas weniger.
Kräfte gegen die Verzweiflung: Beeindruckend ist angesichts dieser schwierigen Umstände die Friedensarbeit, welche Sumaya weiterhin mit enormem Einsatz leistet. Seit einigen Jahren kümmert sie sich vorab um Schulkinder und ihre Eltern. In Workshops und Gesprächen versucht sie, der zunehmenden Wut und Verzweiflung die Kraft von Selbstliebe und Gewaltlosigkeit entgegenzusetzen. Dies allein wird jedoch nicht ausreichen. Deshalb lautete Sumayas eindringlicher Wunsch an uns in der Schweiz und die hiesige Politik, klar Verantwortung zu übernehmen. Es müsse alles drangesetzt werden, diesen zerstörerischen Krieg zu stoppen! Nur ein Frieden könne längerfristig die Sicherheit aller sichern.
Wer Frieden sucht
wird den anderen suchen
wird Zuhören lernen
wird das Vergeben üben
wird das Verdammen aufgeben
wird vorgefasste Meinungen zurücklassen
wird das Wagnis eingehen
wird an die Änderung des Menschen glauben
wird Hoffnung wecken
wird dem anderen entgegenkommen
wird zu seiner eigenen Schuld stehen
wird geduldig dranbleiben
wird selber vom Frieden Gottes leben –
Suchen wir Frieden?
(Schalom Ben-Chorin)
Weitere Informationen: https://verein-feigenbaum.ch/
Annemarie Bieri, Arbeitskreis für Zeitfragen