Bericht zum Politischen Nachtgebet vom 12. Mai 2025 in Biel

Der zweisprachige Titel dieses Berichts ist zugleich eine Aufforderung. Sie ging aus dem Politischen Nachtgebet vom 12. Mai 2025 in Biel hervor – und richtet sich an alle: staatliche Stellen, kirchliche und nichtkirchliche Organisationen, Vereine sowie Einzelpersonen, die etwas bewirken können. Sie galt den Anwesenden, soll aber weit über diesen Kreis hinaus in der gesamten Schweizer Gesellschaft ein Echo finden.

Die Reformierte Kirchgemeinde Biel und der Pastoralraum der römischkatholischen Kirche Biel-Pieterlen übernehmen dabei eine Vorreiterrolle. Es bleibt zu hoffen, dass ähnliche Aktionen in der ganzen Schweiz folgen werden.

Kirchen in der Verantwortung
Kirchen engagieren sich seit jeher für den Schutz der Schöpfung, für Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit und Frieden. Auch jetzt sind sie gefordert, nicht die Augen vor diesen schlimmen Realitäten zu verschliessen

Impulse aus der Bibel – Kurzpredigten von Stefan Herbst und Jean-Eric Bertholet
In ihren Predigten zu Jeremia 9,2–5 und 21–23 erinnerten Stefan Herbst und Jean-Eric Bertholet eindringlich an die Verantwortung der Kirchen. Sie verurteilten die moralische Bankrotterklärung von Politik und Wirtschaft und kritisierten die Verstrickungen westlicher Unternehmen in die Ausbeutung des Kongos: „Ein jeder täuscht seinen Nächsten, die Wahrheit reden sie nicht.“ – Jeremia. Sie beschrieben, wie Korruption Gesellschaften zerstört und wie westliche Konzerne und Regierungen mit Hilfe von PR-Firmen und Beratern die eigene Rolle schönreden. Verbrechen bleiben ungesühnt, solange Medien nicht über die wirtschaftlichen Hintergründe berichten. Besonders schwer wiegt dabei die Beteiligung an der systematischen Ausbeutung der Rohstoffe im Kongo – mit direkter Mitverantwortung auch westlicher Staaten.

 «Man kann Verbrechen begehen, wenn es gelingt, die Medien dazu zu bringen, über die Hintergründe und Nutzniesser von Ausbeutung zu schweigen. Dann wird die Situation im Kongo als reine innerafrikanische Problematik dargestellt. Ruanda greift dort ein. Die wirklichen, handfesten wirtschaftlichen Interessen von ausländischen Firmen und Regierungen werden verschwiegen. Dem gegenüber stellt der Prophet Jesaja die Rede von Gott: Die Gotteserkenntnis bringt Menschen dazu, ethisch zu handeln, den Nächsten zu achten und die Finger von Korruption und Ausbeutung zu lassen. Es geht um eine innere Veränderung von Menschen; um die wahre Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit.» Stefan Herbst

Die Realität im Kongo – ein übersehener Krieg
Der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo dauert seit Jahrzehnten an. Erst als die Rebellengruppe M23 – unterstützt von Ruanda – die Städte Bukavu und Goma einnahm, erlangte der Konflikt internationale Aufmerksamkeit. Die Folge: Massenvertreibungen, Vergewaltigungen, Plünderungen, unzählige Tote.

Der UNO-Sicherheitsrat verabschiedete daraufhin die Resolution 2773. Auch die EU und andere Staaten verhängten Sanktionen gegen Ruanda. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte strafrechtliche Verfolgung aller Täter – Einzelpersonen wie auch ganze Strukturen.

Fachliche Perspektiven beim Politischen Nachtgebet

Rohstoffe und Krieg: Robert Bachmann (Public Eye)
Robert Bachmann, Analyst bei der NGO Public Eye, zeigte die Zusammenhänge zwischen Rohstoffhandel und Krieg auf. Schweizer Firmen profitieren direkt von den Ressourcen aus dem Kongo: „Dieser Wohlstand – rund 10 % des Schweizer BIP stammen aus dem Rohstoffhandel – entsteht nicht im luftleeren Raum.“
Er erklärte, wie durch Steuertricks Gewinne aus dem Kongo in die Schweiz verschoben werden. Die Folge: Den rohstoffreichen Ländern entgehen Einnahmen, die für Bildung und Gesundheit dringend nötig wären.
Besonders perfide: informell abgebaute Rohstoffe werden über Ruanda geschmuggelt und gelangen so in globale Lieferketten. Die Ärmsten, die unter widrigsten Bedingungen arbeiten, profitieren kaum. Der Konflikt ist vielschichtig, vor allem politisch und wirtschaftlich verwurzelt.

 

HEKS – Hilfe unter schwierigsten Bedingungen: Nathalie Praz
Nathalie Praz, Programmleiterin bei HEKS, berichtete über die dramatische Lage vor Ort. 2024 wurden 3 Millionen Menschen neu vertrieben, insgesamt sind es 7,8 Millionen. Die Einnahme von Goma und Bukavu durch M23 zwang Hunderttausende erneut zur Flucht. Praz zeigte Bilder von zerstörten Dörfern und verzweifelten Menschen. HEKS ist präsent und leistet konkrete Hilfe. Doch: Es bleibt ein Tropfen auf den heissen Stein. „Unsere Kirchen handeln – doch die Not ist überwältigend.“

 

Afrikanische Diaspora: Solidarität mit den Frauen im Kongo
Belainesh Abiyo, Vertreterin des Afrika Diaspora Rates Schweiz, sprach im Namen afrikanischer Organisationen: „Wir stehen solidarisch an der Seite der Frauen in der DR Kongo.“ Sie erinnerte an die erschütternde Statistik: Im Osten des Landes wird alle vier Minuten eine Frau vergewaltigt. Gewalt gegen Frauen wird gezielt als Kriegswaffe eingesetzt, um Gemeinschaften zu zerstören. Sie zitierte den Friedensnobelpreisträger Dr. Mukwege und forderte internationale Aufmerksamkeit für die Situation.

 

 

SOS-Villages RD-Congo – gezielte Hilfe und unbequeme Fragen
Angélique Nkipassa Mukundi vom Verein SOS-Villages RD-Congo schilderte die Arbeit ihrer Organisation, die Dörfer in der Region um Goma unterstützt. Der Bedarf ist enorm: medizinische Versorgung fehlt, Hunger und Durst prägen den Alltag. „Wir müssen etwas tun! Warum wird darüber nicht gesprochen? Warum schweigen wir?“ Ihre Fragen richten sich an uns alle. Der Verein appelliert an das Gewissen und das Engagement der Schweizer Bevölkerung.

 

 

Zeichen der Hoffnung
Der Chor Cantus Cordis begleitete die Veranstaltung musikalisch. Zum Abschluss entzündeten Teilnehmende Kerzen zum Gedenken an die Opfer des Krieges im Kongo – ein stilles, aber starkes Zeichen der Solidarität und Hoffnung.

Unser herzlicher Dank geht an alle Teilnehmende, an mitwirkende Organisationen und Personen.

Ausblick
Die reformierte Kirchgemeinde Biel wird am Samstag, 21. Juni 2025, um 17:30 in der Bieler Stadtkirche, Ring 2, eine Fürbitte-Feier für die Opfer vom Kongo-Krieg abhalten.